Strontiumisotopenanalyse
Am CEZA werden Strontium-Isotopenanalysen hauptsächlich im Arbeitsbereich Bioarchäometrie an Zahnschmelz von Menschen oder Tieren zur Beantwortung von Fragestellungen nach Mobilität durchgeführt. Diesbezüglich hat sich die Methode als Standardverfahren etabliert und kommt in Kombination mit Sauerstoff-Isotopenanalysen zum Einsatz.
Ausgangspunkt ist das Spurenelements Strontium in Gesteinen, das in Abhängigkeit von den geologischen Verhältnissen in unterschiedlicher Isotopenzusammensetzung vorliegt.
Anwendung
Strontium-Isotopenanalysen haben ein breites Anwendungsfeld. 87Sr/86Sr-Isotopenverhältnisse werden z.B. im Zuge der Rubidium-Strontium-Altersdatierung von Gesteinen ermittelt und kommen in hydrologischen Studien oder zur Verifizierung der Herkunft von Lebensmitteln zum Einsatz.
In der Bioarchäometrie haben sie zumeist das Ziel, anhand von Zahnschmelzproben Menschen zu erkennen, die ihre ersten Lebensjahre nicht an dem Ort verbrachten, an dem ihre sterblichen Überreste gefunden wurden. Auf dieser Erkenntnis baut die Bearbeitung weiterer Fragestellungen bezüglich der Mobilität einzelner Personen oder von Bestattungsgemeinschaften auf. Darunter sind die Identifikation historischer Persönlichkeiten, Untersuchungen zu Residenzregeln oder die Überprüfung von Hinweisen auf Ortsfremdheit anhand regionsfremder Beigaben oder auffälliger Grabarchitektur.
Weiteres Erkenntnispotential liegt bei der Untersuchung von Tierhaltungsstrategien, denn 87Sr/86Sr-Verhältnisse im Schmelz von Tierzähnen können von der Futtergewinnung von Standorten mit unterschiedlichen geologischen Bedingungen zeugen. Für hochkronige Zähne (z.B. von Rindern, Schafen, Ziegen oder Pferden) bietet sich die Kombination mit Sauerstoff-Isotopenanalysen an, für die die Proben seriell in horizontal angeordneten, über die Kronenhöhe verteilten Streifen entnommen werden. Die Minima und Maxima der so erstellten Saisonalitätskurven identifizieren während des Sommers bzw. während des Winters mineralisierten Zahnschmelz. Unterschiedliche Strontium-Isotopenverhältnisse dieser Proben können auf jahreszeitlich differenzierte Weidegebiete und somit auf mobile Tierhaltungsstrategien, z.B. Transhumanz, verweisen.
Grundlagen
Ausgangspunkt der Strontium-Isotopenanalyse ist das in Gesteinen enthaltene Spurenelement Strontium mit seinen vier stabilen Isotopen (84Sr, 86Sr, 87Sr und 88Sr). Weil das radiogene Isotop 87Sr durch radioaktiven Zerfall von 87Rb (Rubidium) entsteht, variiert sein Anteil am Gesamtstrontium – ausgedrückt als 87Sr/86Sr-Verhältnis – in Abhängigkeit vom ursprünglichen Rubidiumgehalt und vom Alter der Gesteine.
Durch Verwitterung wird Strontium biologisch verfügbar und über die Nahrungskette an Tiere und Menschen weitergegeben. Dort wird es während der ersten Lebensjahre in die sich bildenden Zahnkronen anstelle von Kalzium eingelagert. Zahnschmelz bleibt zeitlebens unverändert und ist als härtestes Gewebe des menschlichen und tierischen Körpers auch während der Bodenlagerung sehr beständig. Er reflektiert deshalb auch Jahrtausende nach dem Tod eines Menschen noch die Isotopen-Zusammensetzung der während der Kindheit konsumierten Nahrung. Die Identifikation ortsfremder Individuen erfolgt über Vergleichsproben ortstypischer archäologischer oder rezenter Materialien. Auch die Datenverteilung innerhalb größerer Stichproben eines Bestattungsplatzes kann anhand von Ausreißern und Datengruppen Anhaltspunkte für ortsfremde Individuen geben.
Die moderne Analytik und konsequent eingesetzte Maßnahmen der Qualitätssicherung erlauben eine hochpräzise und genaue Bestimmung der Isotopenzusammensetzung des Probenmaterials. Die Qualitätssicherung erfolgt durch den konsequenten Einsatz von Kontrollstandards, d.h. Materialien mit zertifizierten Isotopenzusammensetzungen, die wie die eigentlichen Proben analysiert werden. Sie erlauben eine Beurteilung von Richtigkeit und Präzision der Analyseergebnisse. Für eine optimale Nachvollziehbarkeit der Analysenqualität schließt die Datenübermittlung die Analysewerte der Standardmaterialien ein.
Grenzen
Nach erfolgreichem Durchlaufen der Qualitätskontrollen bedürfen die Isotopenverhältnisse der Interpretation im Hinblick auf die archäologische Fragestellung.
Dies beginnt mit der Beurteilung der Übereinstimmung mit dem für den jeweiligen Fundort charakteristischen Wertebereich der Isotopenverhältnisse und Schlussfolgerungen bezüglich der Ortstreue oder Ortsfremdheit des beprobten Individuums. Einschränkungen entstehen durch diagenetische Veränderungen des Probenmaterials während der Bodenlagerung, die insbesondere Knochen betrifft.
Die Ermittlung ortstypischer Wertebereiche beruht z.B. auf Analysedaten von Zahnschmelz möglichst standorttreu lebender Tiere aus archäologischem Kontext oder auf rezenten Vegetations- oder Wasserproben. Für archäologisch überlieferte Tierzähne ist der Einfluss von Strontium aus heutiger Landnutzung unwahrscheinlich, wohingegen insbesondere für Haustiere die Standorttreue nicht uneingeschränkt vorauszusetzen ist. Rezentes Probenmaterial ist bezüglich des Entnahmeortes gezielt auswählbar und genau dokumentierbar, während die Analysewerte allerdings durch moderne Überprägung verändert sein können. Insgesamt steigt die Zuverlässigkeit der Charakterisierung der ortstypischen Wertebereiche mit der Anzahl und Vielfalt der dafür untersuchten Vergleichsproben.
Eine der größten Herausforderungen ist die räumliche Zuweisung der als ortsfremd erkannten Isotopenverhältnisse. Die Isotopenzusammensetzung der biologisch verfügbaren Elemente kann kleinräumig sehr stark variieren, während die Fragestellungen an die Untersuchungen oft auf die Unterscheidung größerer Regionen abzielt. Andererseits bedingen ähnliche geologische Verhältnisse, dass Sr-Isotopenverhältnisse trotz beträchtlicher Entfernungen zwischen Regionen mitunter nicht hinreichend differenzierbar sind.
Aufgrund dieser Redundanzen können sowohl ortsfremde Individuen unerkannt bleiben, als auch mehrere Optionen der Provenienzzuweisung ortsfremder Personen bestehen. Die Aussagekraft von Sr-Isotopenanalysen profitiert von der Formulierung präziser Fragestellungen und Hypothesen an die Untersuchung sowie ihre Einbindung in interdisziplinäre Studien, bei denen verschiedene Datenstränge zur Beantwortung komplexer Fragestellungen Berücksichtigung finden.
Probenbeschaffenheit
Vorrangiges Untersuchungsmaterial für Fragestellungen im Bereich der Bioarchäometrie ist Zahnschmelz. Die optimale Probenmenge für die Aufbereitung und Analyse einer Probe beträgt ca. 12 mg Zahnschmelz- oder Knochenpulver.
Wir empfehlen das Einsenden kompletter, hinsichtlich ihrer anatomischen Position im Kiefer bestimmter Zähne, von denen wir die benötigte Materialmenge abnehmen.
Menschenzähne
Bei Probenserien z.B. aus einem Gräberfeld ist auf eine möglichst einheitliche Probenauswahl zu achten. Für die Analytik selbst ist die Art des Zahnes bei generell guter Erhaltung des Schmelzes unerheblich. Zu bedenken ist, ob der Zeitraum der Mineralisation des Zahnschmelzes Einfluss auf die Beantwortung der jeweils projektspezifischen Fragestellung hat.
Im Falle einer Kombination mit Sauerstoff-Isotopenanalysen und der Untersuchung von jeweils einer Zahnprobe pro Individuum empfiehlt es sich, auf nach Abschluss der Stillperiode, ca. ab dem 3. Lebensjahr mineralisierten Zahnschmelz zurückzugreifen. Geeignete Zähne sind hier die zweiten Molaren, Prämolaren oder die Weisheitszähne (3. Molaren). Früher in der Kindheit angelegte Zähne (1. Molaren, Frontzähne oder Milchzähne) können aufgrund des Trinkens von Muttermilch etwas höhere δ18O-Werte aufweisen, als sie beim Konsum von Wasser zu erwarten wären und zu Fehlinterpretationen hinsichtlich einer möglicherweise ortsfremden Herkunft führen. Diese Zähne sind deshalb für kombinierte Analysen nur im Falle des Fehlens später angelegter Zähne auszuwählen.
Sind Wohnortwechsel im Laufe der Kindheit von Interesse, so ist die Beprobung sowohl von früh als auch von später in der Kindheit/Jugend mineralisierter Zahnkronen (z.B. 1. Molar und Weisheitszahn) desselben Individuums zu empfehlen. Der Analysewerte in beiden Zähnen machen ein ortskonstantes Aufwachsen wahrscheinlich, während deutliche Unterschiede von Veränderungen bezüglich der Herkunft der Nahrung und damit von einem möglichen Wohnortwechsel innerhalb des durch die Analysen abdeckten Zeitraums zeugen können.
Tierzähne
Tierzähne sind ebenfalls möglichst komplett mit Angabe der Tierart und anatomischen Position des Zahnes einzusenden.
Von niedrigkronigen Zähnen wird ein für die Analysen geeignetes Stück Zahnschmelz abgetrennt.
Für serielle Untersuchungen wird über die Zahnkrone hinweg im Abstand von wenigen Millimetern mit einem Dentalbohrer jeweils Zahnschmelzpulver in horizontalen Streifen herausgefräst. Diese lassen Veränderungen der Isotopenzusammensetzung über die Kronenhöhe hinweg nachverfolgen und auf Standortwechsel innerhalb des Mineralisationszeitraums des Zahnes schließen. Serielle Beprobungen sind mit Sauerstoff-Isotopenanalysen kombinierbar. Sie lassen in unterschiedlichen Jahreszeiten gebildeten Zahnschmelz erkennen und gezielt für Sr-Isotopenanalysen auswählen.
Für Backenzähne von Schafen, Ziegen oder Rindern können zunächst Sr-Isotopendaten von jeweils zwei im Abstand von ca. 2 cm entnommene Proben pro Zahn von eventuellen Unterschieden der Weidestandorte während entgegengesetzter Jahreszeiten zeugen. Diese können anschließend mittels Nachverdichtung der Beprobung höher aufgelöst und durch die Kombination mit Sauerstoff-Isotopenanalysen jahreszeitlich eingeordnet werden können.
Generell gilt:
Proben sind in jedem Fall einzeln verpackt mit jeweiliger Angabe der anatomischen Position einzusenden.