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Neue Publikation in „Nature Human Behaviour“

Verwandtschaft begründet die Machtstrukturen der frühkeltischen Eliten Südwestdeutschlands.

Die vorrömische Eisenzeit in West- und Mitteleuropa war von einer reichen Kultur geprägt, die den Kelten zugeschrieben wird und elitäre Bestattungen in monumentalen Grabhügeln hinterlassen hat. Trotz bahnbrechender Funde moderner archäologischer Ausgrabungen bleiben bis heute zahlreiche Forschungsfragen offen. Die Zusammenarbeit zwischen dem Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg und dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie hat nun bedeutende Erkenntnisse hervorgebracht. Zum ersten Mal konnten die Genome elitärer früheisenzeitlicher Bestattungen aus Grabhügeln rekonstruiert werden.

Unter dem Titel „Evidence for dynastic succession among early Celtic elites in Central Europe“ hat das Fachjournal „Nature human behaviour“ vor kurzem Forschungsergebnisse zu familiären und gesellschaftlichen Strukturen der Kelten veröffentlicht. Dr. Corina Knipper, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie (CEZA) in Mannheim war an der Forschung und der Publikation beteiligt.

Visualisierung Grabkammer-Hochdorf © Landesmuseum Württemberg, FaberCourtial; Thomas Hoppe (scientific reconstruction)

Alte DNA und Isotopendaten als Basis des Forschungserfolgs

Forscher des MPI-EVA haben mittels modernster Technik die Genome von 31 Individuen anhand von Zähnen und Schädelknochen aus dem Innenohr sequenziert. Außerdem wurden Strontium– und Sauerstoff-Isotopenanalysen am Zahnschmelz von 17 Individuen durchgeführt, die bei vorherigen Forschungsprojekten nicht untersucht wurden. Die Anteile verschiedener Isotope beider Elemente zeigen, ob eine Person in der Nähe ihres Bestattungsortes aufwuchs oder aus der Fremde zugewandert war. Die Isotopenanalysen erfolgten am Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim und lassen Informationen zur Verwandtschaft und zu Wohnortwechseln miteinander verknüpfen.

Die Fürstengräber

Die Grabhügel von Eberdingen-Hochdorf und Asperg-Grafenbühl, auch bekannt als Fürstengräber, zählen wegen ihrer elitären Ausstattung mit Gold- und Bronzeobjekten, Wagen, Mobiliar, Speise- und Trinkgeschirr sowie Importgütern aus Griechenland und Etrurien zu den imposantesten Bestattungen der deutschen Ur- und Frühgeschichte. Genetische Analysen zeigten, dass der „Fürst“ von Hochdorf ein Onkel mütterlicherseits des Mannes im Zentralgrab des ca. 10 km östlich gelegenen Hügels von Asperg-Grafenbühl war. Die Isotopendaten beider Männer passen zum Aufwachsen im mittleren Neckarland. Dass sie miteinander verwandt sein könnten, wurde wegen ihres außergewöhnlichen Reichtums und ihrer für die damalige Zeit auffälligen Körperhöhe schon lange vermutet. Nun konnte es durch die neuen Analysen bestätigt werden.

Rekonstruktion des Grabhügels Hochdorf © Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, O. Braasch


Die Untersuchungen offenbarten noch weitere entfernte Verwandtschaften, sowohl innerhalb als auch zwischen verschiedenen Fundstellen. Zum Beispiel zeigte eine männliche Nachbestattung im Hochdorfer Fürstengrabhügel eine weitläufige Verbindung zu einer Frau aus dem Großgrabhügel Magdalenenberg, jedoch zu keinem der Toten von Hochdorf selbst. Der Magdalenenberg liegt bei Villingen-Schwenningen, ca. 100 km entfernt am östlichen Rand des Schwarzwaldes. Auch die Isotopendaten der Zähne zeigen, dass der Mann nicht im näheren Umland von Hochdorf aufwuchs, sondern passen zu den Vergleichsdaten aus dem Schwarzwald.

Matrilineare Erbfolgemuster

Die Studie bezeugt ein Netzwerk von Verbindungen unter den Kelten in Baden-Württemberg, wobei politische Macht durch biologische Verwandtschaft gestärkt und möglicherweise ähnlich einer Dynastie vererbt wurde. Die genetische Herkunft der untersuchten keltischen Individuen lässt sich bis ins heutige Frankreich und nach Italien zurückverfolgen. Auch die Isotopendaten sprechen für zahlreiche Residenzwechsel, zum Teil über erhebliche Distanzen.

Alles in allem deuten die Forschungen darauf hin, dass die Macht unter den keltischen Eliten vorzugsweise über die mütterliche Linie vererbt wurde, bekannt als matrilineare avunkuläre Organisation. Die Ergebnisse unterstützen die Vorstellung einer vererbbaren Führungsrolle entlang mütterlicher Linien. Obwohl Männer hauptsächlich die Macht ausübten, deuteten reiche Bestattungen von Frauen auf ihren hohen Status hin. Die Studie liefert ein klareres Bild des frühkeltischen politischen Systems, das durch familiäre Verflechtungen und regionale Hierarchien gekennzeichnet war, und legt nahe, dass die frühkeltischen Elitegesellschaften Südwestdeutschlands hochkomplex waren, wobei Macht und Status durch biologische Verwandtschaft weitergegeben wurden.

Den vollständigen Artikel in Nature finden Sie hier.