Die Radiokarbonmethode (¹⁴C) hat die wissenschaftliche Forschung über Jahrzehnte hinweg maßgeblich geprägt und unser Verständnis der Vergangenheit revolutioniert. Heute steht diese bewährte Methode vor einer zweiten Revolution, die das Potenzial hat, unsere Perspektive auf Sonne, Klima und menschliche Geschichte grundlegend zu verändern. Das CEZA-Projekt HISCAR wird vom Forschungsprogramm INTERNATIONALE SPITZENFORSCHUNG der Baden-Württemberg Stiftung gefördert und umfasst einen Zeitraum von drei Jahren, der am 1. Februar 2024 begann.
Ursprünglich in der Archäologie angewandt, hat die Radiokarbonmethode in den 1960er Jahren auch die Umweltwissenschaften erobert, insbesondere für die Erforschung des Kohlenstoffkreislaufs. Jetzt bahnt sich die Methode ihren Weg in die Sonnenforschung. Ein bahnbrechendes Projekt nimmt die ¹⁴C-Methode in den Fokus und erstreckt ihre Anwendungsbereiche auf drei Schlüsselbereiche: die Sonnen-, Klima- und archäologische Forschung.
Das Ziel des Projekts ist es, mittels hochpräziser ¹⁴C -Analysen die Sonnenvariabilität und die Veränderungen des Kohlenstoffkreislaufs in der Vergangenheit zu rekonstruieren. Die Ergebnisse werden den Kenntnisstand über die Ursachen, die Zeitpunkte und die Häufigkeit von Veränderungen der Sonnenaktivität und des Kohlenstoffkreislaufs der Erde erheblich erweitern. Die Menge des in der Atmosphäre erzeugten Radiokohlenstoffs steht in direktem Zusammenhang mit der Sonnenaktivität, so dass ein Archiv, das die ¹⁴C-Konzentrationen speichert, zur Rekonstruktion des Sonnenverhaltens in der Vergangenheit verwendet werden kann. Solche Archive liefern auch Informationen über den Kohlenstoffkreislauf, insbesondere über den Austausch zwischen der Atmosphäre und den Ozeanen.
Hohenheimer Jahrringsammlung am CEZA von entscheidender Bedeutung
Die bedeutendsten Archive für historische ¹⁴C-Werte sind Bäume, die den atmosphärischen Kohlenstoff direkt über Photosynthese aufnehmen und dieses Kohlenstoffsignal im Holz ihrer Jahrringe speichern. Das Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie beherbergt neben dem international renommierten ¹⁴C-Labor auch eines der weltweit größten Baumringarchive – die Hohenheimer Jahrringsammlung. Das Archiv umfasst Holz aus den letzten 13.000 Jahren.
In Zusammenarbeit mit der ¹⁴C-Gruppe der Universität Groningen, die auf die Interpretation von ¹⁴C-Daten von Jahrringen spezialisiert ist, werden beide Teams die Geschichte des Kohlenstoffkreislaufs durch jahrgenaue Baumringanalysen auf eine neue Ebene heben.
Dieses wegweisende Projekt konzentriert sich in den kommenden drei Jahren auf zwei entscheidende Zeiträume:
- Das 1. Jahrtausend v. Chr., eine Periode menschlicher Massenmigration, die möglicherweise durch Klimawandel ausgelöst wurde.
- Die frühe Zivilisation im Westen und Osten von 2600-1700 v. Chr., eine Ära, die die frühe Bronzezeit im Mittelmeerraum und die Zeit der Staatsbildung im frühen China umfasst. Darüber hinaus fällt das 4,2 ka Klimaereignis (~4.200 Jahre vor heute) in diese Zeitspanne, das als das stärkste klimatische Ereignis der letzten 5.000 Jahre gilt.
Durch die Schließung von Datenlücken und die Erstellung langer, ununterbrochener Datensätze mit hochauflösenden ¹⁴C -Daten könnte diese Initiative eine zweite Radiokohlenstoffrevolution einläuten, da diese Daten in der Sonnen- Klima- und archäologischen Forschung dringend benötigt werden, um das Gesamtbild zu vervollständigen.