Höhlen als archäologische Überlieferungsorte
Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt „Höhlen als archäologische Überlieferungsorte - Eine Neubewertung von Höhlenfundplätzen durch archäologische und bioarchäologische Analysen am Beispiel der Nördlichen Frankenalb“ widmet sich archäologischen und bioarchäologischen Untersuchungen an Artefakten und menschlichen Skelettresten sowie seriellen ¹⁴C-Datierungen.
- Laufzeit: 2021 - 2024
- Förderer: Deutsche Forschungsgemeinschaft
- Partner: Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Eine Neubewertung der Funde dieser besonderen Plätze und die Entwicklung valider, auch überregional anwendbarer Interpretationskriterien sind die Ziele des Projekts.
Aus den Höhlen der Nördlichen Frankenalb wurden seit dem Beginn ihrer Erforschung zahlreiche Artefakte und menschliche Knochen geborgen. Umfangreiche Sammlungen in Regionalmuseen bieten ideale Voraussetzungen für eine systematische Aufarbeitung der altbekannten und bisher kaum naturwissenschaftlich untersuchten Fundplätze. Die bisherigen Auseinandersetzungen mit der nacheiszeitlichen Höhlennutzung basieren zumeist auf den Ergebnissen von Ausgrabungen und Befahrungen der 1950er bis 1970er Jahre. Das dabei geborgene menschliche Skelettmaterial wurde zwar häufig von Ärzten begutachtet, doch sind die Berichterstattung mangelhaft, die Ergebnisse nur teilweise nachvollziehbar und ihre Interpretation oft subjektiv. Das interdisziplinäre Forschungsprojekt zielt auf eine Systematisierung der Untersuchungen unter Einsatz moderner Analytik. Die CEZA ist daran mit 14C-Datierungen sowie stabilen und radiogenen Isotopenanalysen zur Erschließung von Ernährung und Mobilität beteiligt.
Anthropologische Untersuchungen
Von insgesamt 96 in Vorarbeiten erfassten Höhlen mit archäologischen Funden und menschlichen Skelettresten werden im Rahmen des Projekts die menschlichen Knochen aus sieben Höhlen von Dr. Jörg Orschiedt vom Landesdenkmalamt Sachsen-Anhalt neu untersucht. Ausgewählt wurden Fundstellen mit besonders umfangreichem und gut erhaltenem Skelettmaterial. Hierzu erfolgte bereits während der Vorarbeiten die Bestimmung der Mindestindividuenzahl. Dabei deutete sich eine Selektion der menschlichen Knochen während der Ausgrabungen an, sodass häufig nur Schädel und Langknochen aufbewahrt wurden. Außerdem muss davon ausgegangen werden, dass die meisten Knochen bei der Auffindung bereits isoliert und größtenteils ohne anatomischen Verband vorlagen. Bei der osteologischen Untersuchung steht zunächst die Erhebung der anthropologischen Basisdaten im Vordergrund. Insbesondere gilt es, das Sterbealter und das Geschlecht der Individuen zu erfassen, den allgemeinen Gesundheitszustand und Spuren von Krankheiten anhand der Knochen zu untersuchen sowie mögliche Spuren von Gewalteinwirkung zu dokumentieren und taphonomische Prozesse nachzuzeichnen. Die nach modernen Gesichtspunkten erhobenen Daten bilden die Basis für eine mögliche Neuinterpretation der Funde.
Datierung
Die zeitliche Einordnung der Menschenknochen ist besonders herausfordernd. Sie erfolgte in der Vergangenheit üblicherweise anhand von Begleitfunden, wie Keramikscherben oder Schmuckgegenständen aus Bronze. Wiederholt stammen diese aus der Urnenfelderzeit (1.200 – 800 v. Chr.) oder vom Übergang zwischen der Hallstatt- und Latènezeit (um 450 v. Chr.). Ebenso ist es denkbar, dass Fundmaterial anderer Zeitstellung nicht erhalten blieb oder die sterblichen Überreste ohne Schmuck oder Gefäße in die Höhle gelangten. Eine derartige Nutzungsphase wäre dann vollständig unsichtbar. Im Rahmen des Projektes erfolgen daher systematische 14C-Datierungen direkt an den menschlichen Knochen der für die anthropologische Untersuchung ausgewählten Fundstellen. Die Probenauswahl basiert auf den Schädeln der Mindestindividuen. Dies vermeidet eine durch Doppelbeprobungen bedingte Verzerrung der Ergebnisse. Im Zuge der Auswertung werden die Datierungen den aus dem archäologischen Fundmaterial entwickelten Nutzungsphasen gegenübergestellt.

Ernährung, Mobilität und Populationsgenetik
Die Mindestindividuen der ausgewählten Fundstellen bieten auch die Grundlage für die Charakterisierung der Ernährungsgewohnheiten und die Erschließung von Residenzwechseln anhand von Isotopendaten. Stickstoff- und Kohlenstoffisotopenzusammensetzungen des Knochenkollagens (δ15N, δ13C) sind aufschlussreiche Kriterien zur Erschließung der Ernährungsweise. Neben Veränderungen im Laufe der Zeit und einer geschlechtsabhängigen Differenzierung fragt die Analyse insbesondere nach systematischen Unterschieden zwischen den Daten von Menschenknochen aus Höhlen und solchen aus „regulären“ Fundkontexten. Auch die Ortsfremdheit von Personen, woraus möglicherweise eine gesonderte Stellung in der Gesellschaft resultierte, könnte ein Grund für eine besondere Art der Totenbehandlung gewesen sein. Strontiumisotopenverhältnisse (87Sr/86Sr) von Zahnschmelz dienen hierbei als Indikator für regionsfremde Geburtsorte und Mobilität. Die Analyse alter DNA, die aus den Felsenbeinen der Schädel extrahiert wird, ermöglicht eine populationsgenetische Einordnung, insbesondere im Vergleich zu Daten anderer Fundkontexte sowie die Erschließung verwandtschaftlicher Verbindungen. Letzteres könnte darauf hindeuten, dass direkte biologische Beziehungen, d.h. Familienzugehörigkeiten, Auswahlkriterien für die Nutzung von Höhlen als letzte Ruhestätte waren.