Graphitverzierungen sind ein markantes Dekorelement, das nahezu im gesamten Balkanraum während des 5. Jahrtausends v. Chr. auf Keramiken angetroffen werden kann. Ziel dieses interdisziplinären Projekts ist es, die Technologie der graphitverzierten Keramik sowie ihre Verbreitung auf dem Balkan besser zu verstehen.
Dabei liegt der Fokus auf den spätneolithischen und chalkolithischen Keramikfunden mehrerer archäologischer Stätten entlang des Struma-Tals (Griechenland und Bulgarien) sowie der angrenzenden Regionen.
Im Rahmen des von der Universität Tübingen initiierten und beantragten Projektes (Dr. Silvia Amicone, CCABW) werden am CEZA Kohlenstoffisotopenanalysen an Keramik und Graphit-Rohmaterial in Form geologischer Proben sowie in prähistorischer Zeit hergestellter Graphitkegel durchgeführt.
Technologische Adaptions- und Transferprozesse sowie die Aneignung „fremden“ Ideenguts sind in der Archäologie stets von großem Interesse. Ermöglicht werden solche Einblicke durch die Untersuchung kultureller und ökonomischer Netzwerke, insbesondere unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden technologischen Merkmale und der notwendigen Fähigkeiten innerhalb gesellschaftlicher Gruppen. Durch die Fokussierung auf Innovations-, Adaptions- und Transferprozesse von technologischem Wissen wird dieses Projekt nicht nur denjenigen, die den prähistorischen Balkan untersuchen, sondern auch anderen archäologischen Disziplinen als Referenzwerk dienen können. Im Rahmen dieses Projektes wird versucht unseren bisherigen Kenntnisstand des Phänomens graphitbemalter Keramik mit neuen interdisziplinären Ansätzen zu erweitern.
Dazu gehört auch die Durchführung von Kohlenstoffisotopenanalysen, um mögliche Rohmaterialvorkommen von Graphit zu identifizieren, die für die Dekoration der Gefäße zum Einsatz kamen. Das Spektakuläre an graphitbemalter Keramik generell ist, dass diese auf Kohlenstoff basierende und vor dem Brennvorgang auf die Keramik aufgetragene Verzierung überhaupt erhalten blieb. Da der Kohlenstoff bei Anwesenheit von Sauerstoff oxidiert, setzt dies weitgehend reduzierende Brennbedingungen voraus, deren technische Umsetzung noch nicht gänzlich verstanden ist.
Die im Projekt bisher untersuchte Keramik umfasst neben einem experimentell hergestellten Gefäß mit Graphitbemalung auch zahlreiche Scherben aus archäologischen Kontexten. Von allen zur Untersuchung ausgewählten Stücken wurde die Graphitbemalung selbst, die Gefäßoberfläche neben der Verzierung und das Innere des Scherbens beprobt. Die Isotopenverhältnisse des extrahierten Graphits unterscheiden sich durch deutlich höhere C-Anteile und δ13C-Werte von den anderen Bereichen der Keramik. Die Analysen schlossen auch eine Serie von Graphitkegeln aus unterschiedlichen Grabungskontexten ein. Dies erfolgte zur Charakterisierung der Komposition dieser ungewöhnlichen Objekte, in Form derer der Rohstoff „Graphit“ in prähistorischer Zeit womöglich zirkulierte und die auch als „Malstifte“ für die Aufbringung des Dekors gedient haben könnten. Es zeigen sich zum Teil Überschneidungen mit den für die Graphitbemalungen der Keramik ermittelten δ13C-Werten.
Neben der mineralogischen Untersuchung weiteren Probenmaterials ist geplant, auch die Serie an C-Isotopenanalysen zu vergrößern. Dies umfasst auch eine Serie geologischer Proben, die in verschiedenen Bereichen des Untersuchungsgebiets genommen wurden. Sie erweitern das Datenspektrum und helfen, signifikante Unterschiede zwischen Graphit-Rohmaterialien herauszuarbeiten und diese mit den für die Keramik ermittelten Analysewerten zu vergleichen.
Das Projekt wird von der Exzellenzinitative der Universität Tübingen (Athene Programm, Projektförderung für NachwuchswissenschaftlerInnen) und dem RISC-Programm des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg gefördert.
Details dazu unter uni-tuebingen.de:
www.uni-tuebingen.de/universitaet/aktuelles-und-publikationen/newsletter-uni-tuebingen-aktuell/2021/1/forschung/4/