Physische Anthropologie
Anwendung
Erklärtes Ziel der Untersuchungen des Skelettmaterials ist die Erhebung basisbiologischer Daten wie etwa Geschlecht, Sterbealter, Größe und Proportionen, alltagsspezifische Aktivitätsmuster, diagnostizierbare Erkrankungen, sowie gegebenenfalls auch die Todesursache. Darüber hinaus können aber auch Aussagen zur Lebensweise, zur Ernährung, zu Krankheitsbelastung und zum Sozial- und Migrationsverhalten gemacht werden. Und je nach Kontext ist sogar ein räumlicher und zeitlicher Vergleich zwischen Populationen möglich. Die Einsatzmöglichkeiten der physischen Anthropologie sind weitreichend.
Grundlagen
Zu Beginn der Bearbeitung menschlicher Überreste steht die Beurteilung des Erhaltungszustandes. Dabei wird zwischen qualitativer und quantitativer Erhaltung unterschieden. Die qualitative Erhaltung bezieht sich auf die Erhaltung der Knochensubstanz und der Knochenoberfläche. Die quantitative Knochenerhaltung beurteilt die Repräsentanz, also in wie weit alle Regionen der Skelettanatomie vorhanden sind und wieweit die Fragmentierung der einzelnen Skelettelemente fortgeschritten ist. Falls beides, qualitative und quantitative Erhaltung, gut ausgeprägt ist, lassen sich in der Folge diverse Merkmale bestimmen, angefangen vom Geschlecht über das Alter und die Körpergröße bis hin zu potentiellen krankhaften Veränderungen. Alles rein auf der Basis des Skelettmaterials.
Die Bestimmung des biologischen Geschlechtes kann zuverlässig anhand der Becken- und Schädelmerkmale erfolgen. Die Beurteilung der Gesamtform des Beckens, das bei Frauen in der Ansicht von vorne und oben eher breit und schalenartig ist, bei Männern jedoch schmal und hoch, ist dabei einzig möglich, wenn beide Beckenteile und das Kreuzbein vorhanden sind und das Becken zusammengesetzt werden kann. Da dies nur bei besonders guter Skeletterhaltung möglich ist, orientiert man sich alternativ an Merkmalen, die an einzelnen Beckenbereiche erkennbar sind. Die ebenfalls mögliche Geschlechtsbestimmung am Schädel ist hingegen stets mit deutlicheren Unsicherheiten behaftet, so dass der Untersuchung des Beckens idealerweise der Vorzug zu geben ist.
Bei der Bestimmung des Sterbealters gilt, dass sich dieses bei Kindern und Jugendlichen bis etwa zum 15. Lebensjahr vor allem anhand der Zahnentwicklung zuverlässig ablesen lässt. Die Altersbestimmung erwachsener Individuen ist dagegen wesentlich herausfordernder. Häufig wird das Sterbealter in diesen Fällen anhand des Verschlusses der großen Schädelnähte bestimmt. Ebenso können altersabhängige Veränderungen vor allem an wenig beanspruchten Gelenken Hinweise auf das Individualalter geben. Aber auch die Abrasion (Abnutzung) der Zahnkronen dient als Hinweis oder bspw. auch der fortschreitende Abbau der tragenden Knocheninnenstruktur (Spongiosa) des proximalen Humerus und Femur. Die derzeit beste Annäherung an das kalendarische Sterbealter erwachsener Skelette wird jedoch mittels der Zuwachsringe im Zahnzement, der Zahnzementannulations- oder tooth cementum annulation (TCA)-Methode erreicht. Alle diese Methoden finden bei CEZA Anwendung.
Die Körperhöhenschätzung gehört zu den Standards der morphologischen Untersuchungen. Sie beruht auf der Bestimmung der größten Länge der Langknochen, und deren Vorliegen ist entsprechend Voraussetzung für diesen Schritt. Anschließend erfolgt rechnerisch die Schätzung, wobei die mehrere Regressionsformeln angewandt werden. Hierbei sollten jedoch sämtliche Formeln einzeln berechnet und aus den Ergebnissen das arithmetische Mittel gebildet werden. Und auch bestimmte Krankheitsbilder lassen sich schließlich ebenfalls an Knochen nachweisen, wobei die häufigsten Pathologien Zahnerkrankungen sind gefolgt von Gelenkerkrankungen, Infektionen und Traumata. Auch chronische Infektionskrankheiten können häufig bestimmt werden. In unklaren Fällen, in denen nicht genau auf die Erkrankung geschlossen werden kann, erfolgt eine detaillierte Beschreibung und Dokumentation.
Grenzen
Generell sind die Grenzen der Methoden eng mit dem Erhaltungszustand und der Vollständigkeit der Funde verknüpft. Ganz konkret liegt eine wesentliche Quelle von Beeinträchtigungen der Beurteilbarkeit im Leichenbrand: Verbrannte Skelettreste unterscheiden sich von unverbrannten. Da die Knochen beim Vorgang des Verbrennens stark schrumpfen, sich verformen, zerbrechen und zudem die Scheiterhaufen häufig mit Flüssigkeiten gelöscht werden, die aufgrund des Temperaturschocks zu weiterer Fragmentierung führen, wird in solchen Fällen die Bestimmung des Geschlechts, des Alters und der Krankheiten erheblich erschwert.
Eine weitere Grenze der physischen Anthropologie liegt in der Altersbestimmung: Es existiert bis dato keine einzige morphologisch basierte Methode der Altersschätzung, die das Sterbealter präzise angeben kann. Daher sollten immer möglichst viele Merkmale für eine Sterbealtersbestimmung betrachtet werden.
Probenbeschaffenheit
Die zu untersuchenden Skelettreste sollten sichtbar sein.